Botanik und Umweltfaktoren
Es gibt zahlreiche Lavendelarten. Doch nur durch das mühsame Kultivieren ausgewählter Arten züchtet jeder Bauer in jahrzehntelanger Feldarbeit seine perfekten Blumen. Der echte Lavendel – Lavendula angustifolia fine – wächst in der Provence, am Fuße des Mont Ventoux zwischen 700 und 1.300 Metern Höhe. Hier am östlichen Ausläufer der provenzalischen Voralpen, zwischen den Flüssen Durance und Rhône, erstreckt sich die sanfte mit Steineichen bewaldete Hügellandschaft des Luberons mit ihrem scheinbar endlosen Teppich aus blauen Lavendelfeldern.
Um gut zu gedeihen, benötigten die anspruchsvollen Pflanzen einen kalkhaltigen und nährstoffreichen Boden und ein extremes Klima mit Schnee und eisiger Kälte im Winter und großer Hitze im Sommer. Zwischendurch weht oft tagelang der kräftige Mistral. Aus nordwestlicher Richtung kommend, sorgt der Wind für eine saubere Atmosphäre, imposante Sternenhimmel und das für die Haute Provence so besondere, klare Licht.
In tieferen Lagen wächst der Speiklavendel – Lavendula latifolia aspic –, der ausschließlich für die Lavendelölproduktion angebaut wird. Auf einer Höhe von 700 Metern treffen beide Arten aufeinander und werden durch die natürliche Bestäubung von Bienen gekreuzt. Es entsteht Lavendula hybridi, der sogenannte Lavandin, den Sie wahrscheinlich aus Ihrem Garten kennen werden. Sein beliebter Duft »Essence de Lavandin« wird in der französischen Parfümindustrie verwendet. Denn anders als die reinen Lavendelsorten enthalten Lavendin-Blüten wesentlich mehr ätherisches Öl und sind zudem auch einfacher zu kultivieren.
Lavendelarten
ECHTER LAVENDEL
Lavendula angustifolia fine
Der echte Lavendel wächst in einer Höhe von 700 bis 1.300 Metern, direkt am Fuße des Mont Ventoux. Er hat einen wesentlich komplexeren Duft als alle anderen Lavendelsorten. Sein ätherisches Öl wirkt desinfizierend und findet auch in der Aromatherapie Anwendung.
SPEIKLAVENDEL
Lavendula latifolia aspic
Allein wegen seines hohen Kampfergehaltes ist Speiklavendel eine medizinisch sehr wirksame Sorte des Lavendels. So fördert er die Durchblutung und regt den Kreislauf an. Sein ätherisches Öl wird zum Einreiben bei Erkältungen sowie bei Muskel- und Knochenbeschwerden verwendet.
LAVANDIN
Lavendula hybridi
Lavandin ist eine natürliche Kreuzung aus echtem Lavendel angustifolia fine und Speiklavendel. Der Hybrid ist einfach zu kultivieren und deshalb auch hierzulande heimisch. Wegen seines fünfmal höheren Gehalts an ätherischem Öl wird Lavendin in der französischen Parfümindustrie eingesetzt.
Kulturgeschichte
Lavendel – der Name der Lippenblütler kommt aus dem Lateinischen, vom Verb »lavare« für »waschen«. Bereits die Römer sollen in Lavendelwasser gebadet und sich anschließend mit dem kostbaren Öl eingerieben haben. Wann genau die Heilkraft des Lavendels entdeckt wurde, ist jedoch nicht überliefert. Wohl aber, dass im frühen Mittelalter die Benediktinerin und Universalgelehrte Hildegard von Bingen bei der Beschreibung seiner Wirkung federführend war.
Anwendung und Wirkung
Klassisch angewendet wird Lavendel als Lavendelkissen oder zierender Strauß, dessen Anblick erfreut und dessen reiner Duft wohltuend ist – ob nun als Einschlafhilfe oder für die gute Laune. Doch auch als Öl in seinen unterschiedlichen Qualitäten hat Lavendel viele positive und heilende Eigenschaften. So wirkt etwa das Lavande fine Bio-Öl beruhigend, schmerzstillend und desinfizierend und hilft gleichermaßen bei Kopfschmerzen und Stimmungsschwankungen sowie bei der Behandlung von Verbrennungen, Mücken- und Bienenstichen. Mit seinem hohen Kampfergehalt regt dagegen das Speiklavendel-Bio-Öl den Kreislauf an und fördert die Durchblutung. Außerdem lindert es erkältungsbedingte Atembeschwerden sowie Knochen- und Muskelleiden. Ein unverwechselbarer Sommerduft ist das »Essence de Lavandin«, das Lavandin-Bio-Öl.
Zertifizierung
Meine Lavendelöle, Sträuße und Blüten sind AOP-zertifiziert. Das AOP-Herkunftssiegel ist die europäische Qualitätsgarantie, die Konsumenten die kontrollierte Herkunftsangabe und die hohe Qualität ihrer Waren garantiert. Es wird vom Nationalen Institut für Ursprungsbezeichnungen und Qualität, dem »Institut National des Appellation d’Origine« erteilt.
Wie der Lavendel wächst
Anbau
Die Arbeit auf dem noch unbestellten Lavendelfeld beginnt im Frühjahr mit dem Zerkleinern des spröden Kalksteins durch den Steinbrecher. Anschließend pflügt mein Lavendelbauer Gérard Bernard den Boden, um die Erde gut zu durchlüften. Nun werden die vorher aus Stecklingen gezogenen Lavendelsetzlinge händisch in den gelockerten Boden eingepflanzt. Erst nach drei Jahren ist von einer ertragreichen Ernte auszugehen, zwischendurch müssen die jungen Lavendelfelder in mühevoller Handarbeit immer wieder von Unkraut befreit werden. In den kommenden zehn Jahren stehen die Lavendelsträucher spätestens ab Mitte Juni in voller Blüte, bis sie im Juli geerntet werden. Jedes Jahr verholzt der Stamm der Pflanzen nun etwas mehr, die Sträucher suchen nach Platz und verdrängen sich gegenseitig. Auch die uralte Erntemaschine meines Lavendelbauern Gérard Bernard hat jetzt zunehmend Schwierigkeiten, über die Felder mit den verholzten Sträuchern zu fahren. Nach etwa dreizehn Jahren werden die Lavendelsträucher von den Feldern entfernt. Es folgt eine fünfjährige Brachezeit, in der verschiedene Kräuter und Getreide angebaut werden, so dass sich der ausgelaugte Boden erholen kann. Insgesamt kultiviert mein provenzalischer Bauer etwa 35 Hektar Lavendel, während gleichzeitig gut ein Drittel seiner Felder brach liegen.
Ernte
Jedes Jahr Mitte Juli, wenn die Sonne am Mont Ventoux am höchsten steht und das Thermometer weit über 40 Grad im Schatten anzeigt, ruft mein Lavendelbauer Gérard Bernard zur »Attaque de Lavande«, zur Lavendelernte. So ist die Konzentration des ätherischen Öls in den Blüten dann am höchsten. Geerntet wird der Lavendel für die Sträuße per Hand mit der Sichel. Anschließend werden die Bündel in die Sonne gehängt wo sie im Wind des Mistrals trocknen und in der gesamten Umgebung einen intensiven Duft verbreiten.
Der Lavendel aber, der für die Blüten- und Ölproduktion gewonnen wird, wird schon seit Generationen mit der alten Erntemaschine von Gérard Bernards Großvater geerntet. Sie schneidet den Lavendel besonders schonend, so dass die kostbaren Lavendelblüten nicht zerstört werden. Anschließend werden die Halme auf großen Flächen vorgetrocknet und mehrmals täglich gewendet, um Fäulnis zu verhindern. Aufgehäuft zu langen Reihen, trocknet und fermentiert der Lavendel vier bis sechs Wochen unter freiem Himmel. Danach trennt der alte Mähdrescher die Blüten von den Halmen. Mehrfach gesiebt, werden die losen Blüten zur Befüllung von Lavendelkissen verarbeitet oder zur Ölgewinnung in die örtliche Destille gebracht.
Destillation und Ihr Lavendel aus dem Garten
Lavendelöl wird durch Wasserdampfdestillation gewonnen. Dabei wird heißer Wasserdampf durch die Lavendelblüten geleitet und das ätherische Öl aus den Blüten gelöst. Beim Abkühlen kondensiert der Dampf, es bildet sich ein Öl-Wassergemisch. Weil ätherisches Öl eine geringere Dichte als Wasser hat, schwimmt es an der Oberfläche und kann schließlich abgeschöpft werden. Nach dieser traditionellen Methode wird das Lavendelöl der Haute Provence in bester Bioqualität gewonnen.
In meinem Ladenatelier »Monsieur Lavande« in der Lüneburger Straße unweit des Hauptbahnhofs, haben Sie die Möglichkeit Ihren Gartenlavendel zu destillieren. Aus 500 Gramm Blüten lassen sich bis zu zwölf Milliliter Öl (entspricht einem kleinen Flakon) gewinnen. Bitte vereinbaren Sie vorher einen Termin.
Die Maladie und die Winden-Glasflügelzikade
Seit einigen Jahren leidet der provenzalische Lavendel unter der Plage der Winden-Glasflügelzikade, die sich vom Saft der Pflanzen ernährt. So bohrt sich das vier Millimeter große Insekt in die Lavendelpflanzen und überträgt dabei schädliche Phytoplasma-Bakterien. Sind die Erreger erst mal in die Wurzelkanäle des Lavendels injiziert, breiten sie sich über das Leitgewebe der Pflanze aus und verstopfen ihre Nährstoffkanäle. Gerade junge Lavendelpflanzen sind betroffen: Sie vergilben, bilden keine Blüten mehr aus und verkümmern. Für die Lavendelbauern ist die Maladie existenzgefährdend, denn die kranken Lavendelsträucher müssen gerodet und durch neue ersetzt werden. Betroffen sind derzeit vor allem die Lavendelfelder in niedrigeren Lagen.